Thursday, April 26, 2012

200 Jahre jüdische Geschichte in Rössing (12)


Synagogen- und Schulwesen

1687 wurde den Juden in den Welfischen Fürstentümern Calenberg, Göttingen und Grubenhagen die Wahl eines eigenen geistlichen Oberhauptes, eines Landesrabbiners und damit endlich ihre freie Religionsausübung gestattet. Die Synagogen, soweit vorhanden, standen bisher schmucklos und in versteckten Winkeln. Die jüdische Religionsausübung sollte unbemerkt von der Öffentlichkeit vor sich gehen.
Der Landesrabbiner hatte richterliche Funktionen und war für Streitigkeiten der Juden untereinander verantwortlich. Außerdem unterstand ihm das jüdische Schulwesen, wobei es sich fast ausschließlich um Talmudschulen handelte. Der Talmud ist die Sammlung der Gesetze der religiösen Überlieferungen des nachbiblischen Judentums. Die Kinder lernten hauptsächlich Hebräisch, die jüdischen Gesetze und Gebetsriten. Weitere Lerninhalte waren vor allem für Mädchen kaum vorgegeben.
Von 1802 bis ca. 1830 war der Posten des Landesrabbiners nicht besetzt.

1816 erfolgte von Seiten des Amtes Calenberg eine Anfrage an die Gemeinde Rös- sing, ob eine Synagoge oder eine jüdische Schule am Ort sei. Die Antwort war „Nein".

In demselben Jahr wurde in einer Liste der zum Haushalt des Nathan Schay-Neuberg gehörenden Personen der 39jährige Daniel Rufen als Schullehrer angeführt. Solche jüdischen Hauslehrer waren damals vor allem Religionslehrer. Vom 3. Lebensjahr an wurden die Kinder im jüdischen Glauben und seinem Ritualkodex unterrichtet. Diese Lehrer waren auch besonders im Schächten ausgebildet, damit die jüdischen Speisegesetze eingehalten werden konnten. Sie fungierten als Sänger und Vorbeter bei den Gebetsstunden, bei denen die geschriebene Thorarolle der 5 Bücher Moses, der Gebetschal, der den Kopf bedeckte und der Gebetsriemen, ein Lederriemen, der in einer besonderen Art und Weise um den Arm gewickelt wurde, eine wichtige Rolle spielten.

Wie im einzelnen hier auf dem Lande die jüdischen Gottesdienste abgehalten wurden, ist nicht überliefert. Zu einem vorschriftsmäßigen jüdischen Gottesdienst gehörten nämlich mindestens 10 männliche Juden über 14 Jahre.

1824 waren aber lt. Statistik insgesamt nur 20 Juden in Rössing vorhanden, wovon mehr als die Hälfte Frauen und Kinder waren. Wahrscheinlich mußte hier das ganze Ritual in einer vereinfachten Form stattfinden.

1842 wurden die Juden aufgefordert, Synagogengemeinden zu bilden.
M. Zuckermann gibt in seinem Buch: „Kollektanea zur Geschichte der Juden im Hannoverland" (Hannover 1912) an, daß es 1842 in Rössing eine Synagoge gab.

Dies war aber mit Sicherheit kein eigenständiger Kirchenbau, sondern der jüdische Gottesdienst wurde in einem Wohnraum der Familie Neuberg abgehalten.
1860/61 wurde das Wohnhaus von Simon Neuberg umgebaut, man sieht es aus der Erhöhung der Versicherungssumme im Brandkataster. Es wurde mit einem Anbau versehen und dieser Anbau wurde lt. mündlicher Überlieferung als Synagoge genutzt, zumindest, so lange wie das Haus im Besitz der Familie Neuberg war (bis ca. 1900).

Synagogenvorsteher waren


1843 Nathan Neuberg bis 1854
1855 Simon Neuberg bis 1873

1873 Israel Levi Blumenthal

Moritz Blumenthal
Karl Blumenthal bis 1942

Die Synagogenvorsteher waren verpflichtet, Heirats-, Geburts- und Sterbelisten zu führen. Leider enthalten sie sehr wenig Angaben, und es sind auch nur noch sehr wenige erhalten.
Die nächste Synagoge mit einem richtigen Synagogengebäude befand sich bis 1942 in Eldagsen.

Jüdisches Schulwesen


1854 erfolgte die Neuordnung eines eigenständigen jüdischen Elementarschulwesens und der jüdischen Lehrerbildung, die beide dem Landrabbinat unterstanden. Nach der Schulordnung von 1854 waren mit 17 Wochenstunden mehr als die Hälfte der Unterrichtsgegenstände auf jüdische Religion und Kultur ausgerichtet, davon waren allein 4 Stunden hebräische Sprache und 3 Stunden für biblische und jüdische Geschichte vorgesehen.
In Rössing hat es jedenfalls keine jüdische Elementarschule gegeben, dazu war der Ort viel zu klein. Vielleicht lag auch darin der Grund, daß so viele Kinder der hiesigen jüdischen Familien in den Akten nicht wieder auftauchten.
Bei den Juden ist ein hervorstechendes Merkmal der Sippenzusammenhalt. Ältere oder auch jüngere Verwandte fanden ohne weiteres Unterschlupf in den Familien, und so ist auch möglich, daß die Kinder in größeren Orten bei Verwandten wohnten und dort die jüdische Schule besuchten.

Die Eltern waren verpflichtet, ihre Kinder in die christlichen Schulen zu schicken, wenn keine jüdischen Schulen am Ort waren. Vom Religionsunterricht waren sie allerdings befreit Für den jüdischen Religionsunterricht sorgte dann der Rabbiner.

In der Schulstatistik der Rössinger Grundschule fanden sich nur Angaben.über den Zeitraum von 1898 bis 1911. Frühere Angaben über jüdische Schulkinder waren nicht aufzufinden.

1898-1900 kein jüdisches Kind
1901 2 jüdische Kinder
1904.24.Juli je 1 jüd. Kind in Kl. III und Kl. IV
1906.20.Juni 3 jüdische Kinder
1911.24.Mai 1 jüdisches Kind

Quellen: NHSA, Sign: Hann 74 Cal Nr. 431 und 432
Niedersächsisches Jahrbuch 1989
Rössinger Schulchronik Band 2

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