Thursday, March 8, 2012

200 Jahre jüdische Geschichte in Rössing (2)





Der Schutzbrief

Schon Jahrhunderte lang waren den Juden Schutz- oder Geleitbriefe ausgestellt worden, manchmal vom Landesherrn, manchmal von den Städten oder auch von den Gerichtsherren der Adeligen Patrimonialgerichte.

1687 regelte  Herzog Ernst August für seine welfischen Lande, das spätere Kurfürstentum Hannover, die Schutzverleihung, die er für sich allein in Anspruch nahm. Den Städten und  adligen Gerichten sprach er alles Recht der Ausstellung von Schutzbriefen ab. Die nicht unbeträchtlichen Geldsummen, die die Juden für die Schutzbriefe bezahlen mußten, sollten allein in die landesherrliche  Schatulle fließen. Sein Sohn, der Kurfürst Georg Ludwig, der 1714 als König Georg I den englischen Thron bestieg, bestätigte während seiner Regierungszeit dieses Schutzgeld-Edikt und erließ außerdem noch eine ganze Reihe anderer Judenordnungen.

Der Schutz erstreckte sich auf die Person des Juden, seine Ehefrau, seine unverheirateten Kinder, so lange sie in seinem Haus wohnten, und auf diejenige Anzahl von Dienstboten, die den Juden erlaubt war. Wollten sich die Kinder von Schutzjuden verheiraten, oder von ihren Eltern separieren, so bedurften sie eines besonderen Schutzbriefes. (Heiratserlaubnis erhielt von den Söhnen meistens nur der älteste). Der Schutzbrief gewährte das Recht ungestörten Aufenthaltes im Lande auf begrenzte Zeit, zunächst 6 Jahre, Schutz für Leben , Freiheit und Eigentum, ungestörte Ausübung der jüdischen Religion und sicherte den Inhaber davor, nach Willkür der Behörden außer Landes verwiesen zu werden. Er gestattete, nach Maßgabe der Beschränkungen durch die Landesgesetze, Handel- und Wechselgeschäfte zu treiben. Dagegen gewährte der Schutzbrief weder Bürger- noch Heimatrecht.

Ganz andere Vorschriften galten dagegen für die unvergleiteten Juden: Sie waren häufig vor Pogromen geflüchtete Osteuropäer. Sie zählten zu den „Armen" und man versuchte, sie sich durch Kontingentierung vom Halse zu halten.

So hieß es:
Sie werden als Fremde behandelt. Sie dürfen sich an einem Ort nur 3 Tage, in Hannover 8 Tage, bei andern Juden aufhalten und müssen einen Leibzoll erlegen. Wer länger verweilt, wird „allsofort weggeschafft" und muß nach Maßgabe seines Vermögens  1O - 15 Reichstaler Strafe an die Ortsarmenkasse zahlen. An den Denunzianten müssen außerdem noch 5 - 1O Reichstaler gezahlt werden.

Dies alles gilt aber nur für die sog. „reputierlichen Juden" (Verordnung vom 9. Juni 1733).

„Betteljuden" sollen dagegen gar nicht zugelassen werden.
Werden sie ertappt, so werden sie zum erstenmal mit 14täiger harter Gefängnisstrafe bei Wasser und Brot belegt und über die Grenze gebracht, beim zweitenmal erhalten sie ein Brandmal, und beim dritten Male werden sie einfach aufgehängt.

(Edikt vom 14. Aug. 1714). Diese Gesetzgebung zwang sie natürlich erst recht zum Vagabundieren.

Die Judenordnungen waren aber in den verschiedenen deutschen Fürstentümern durchaus nicht überall gleich. Was den Juden in dem einen Land verboten war, war ihnen im Nachbarland vielleicht erlaubt. Es gab so gut wie nichts, was überall einheitlich geregelt war.

Etwa 9O % der im Kurfürstentum Hannover lebenden Juden wohnten in den Städten oder in größeren Orten. Auf dem platten Lande gab es wenige, was mit dem Verbot von Grunderwerb und anderen Berufsbeschränkungen zusammenhing. Ackerbau war ihnen nach der Feudalverfassung verboten.

Wenn ein Jude bei der Landdrostei einen Antrag auf einen Schutzbrief stellte oder ein Schutzbrief von einer Gemeinde wegen Umzugs auf eine andere Gemeinde transferiert werden sollte, so wurden genaue Erkundigungen über den betreffenden eingeholt. Der Schutzbrieferteilung wurde nur stattgegeben, wenn die Auskünfte ohne jegliche Beanstandung waren. Die Landdrosteien vertraten den Standpunkt, daß die Juden freiwillig ins Land gekommen seien zu den bekannten Konditionen, daß sie jederzeit des Landes verwiesen werden konnten. Die Anzahl der Juden sollte eine statische Größe bleiben. Es sei immer von dem Grundsatz auszugehen: „Das Kurfürstentum sei ein christliches Land und solle es bleiben.“






1) Dr. jur. Abraham Löb,  Frankfurt 19O8: Rechtsverhältnisse der Juden im ehemaligen Königreiche und der jetzigen Provinz Hannover

2) M. Zuckermann, Hannover 1912 Kollektanea zur Geschichte der Juden im Hannoverland

 

3) Niedersächsisches Jahrbuch 1992 Bd. 64, vom Historischen Verein f. Niedersachsen, Verlag Hahnsche Buchhndlg. Hannover 1992, Uwe Eissing S. 287 ff.

 

 4) Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landesordnungen und Gesetze IV Teil,

von Policey - Sachen

zum Gebrauch der Fürstenthümer Graf- und Herrschafften Calenbergischen Theils

Göttingen 1740, in Verlag der Königl. privilegirten Universitäts Buchhandlung 

200 Jahre jüdische Geschichte in Rössing (1)



Der kleine jüdische Friedhof am Rande des Dorfes, am Kirschenbrink, der alten Hildesheimer Straße, erinnert daran, daß es auch in Rössing früher jüdische Einwohner gegeben hat. Zwar steht auf den sechs Grabsteinen, die dort noch vorhanden sind, nur der Name Blumenthal, aber aus alten Akten geht hervor, daß hier vor etwa 2OO Jahren noch andere jüdische Familien im Ort gelebt haben. Es war nur eine kleine Gruppe, aber es ist sehr interessant, einmal dem Schicksal dieser Menschen nachzugehen.

Allgemeiner historischer Rückblick


Die Juden in Deutschland lebten von jeher in einer verminderten rechtlichen Stellung. Im Mittelalter unterstanden sie dem kaiserlichen Judenregal (dem Recht, Juden aufzunehmen). Das bedeutete, daß sie dem Kaiser und König einen goldenen Opferpfennig für ihren Aufenthalt im Reich zahlen mußten. Dieses Judenregal ging in vielen Fällen als kaiserliches Privileg an die Kurfürsten und sonstigen Territorialfürsten über. Aber diese Tatsache besserte keineswegs den rechtlichen Status der Juden. Bald fiel es dem einen kleinen Landesherren ein die Juden zuzulassen, bald ließ er sie wieder vertreiben, der Willkür waren Tür und Tor geöffnet.

Auch der Bischof von Hildesheim besaß das Judenregal, das er 1428 an den Rat der Altstadt verpfändete. Durch hohe Sondersteuern verschlechterte sich die Lage der Juden derart drastisch, daß diese nach Braunschweig flüchteten, wo die Judengesetze zu dieser Zeit liberaler waren. Seit 1457 gab es für ca. 5O Jahre praktisch keine jüdische Gemeinde mehr in Hildesheim.



Die rechtliche Stellung der Juden in den welfischen Fürstentümern


1345  Herzog Magnus hatte die Juden in seinen Schutz genommen. Einige Jahre später,   als die Pest hier wütete, verfolgte man sie hart und verwies sie des Landes, weil man sie für den Schwarzen Tod“ verantwortlich machte

1375   sie wurden von den Herzögen Wenzeslaus und Albrecht wieder in Hannover zugelassen, wo ihnen der Aufenthalt vorher verboten war

1553   Herzog Erich II vertrieb sie, weil sie „Gott, Jesus und alle gläubigen Christen in ihren Synagogen verflucht und geschmäht hätten". Ein paar Jahre später wurden sie wieder zugelassen

1614   als die Landstände von Herzog Friedrich Ulrich erneut die Vertreibung der Juden verlangten, entdeckte dieser die Juden als geschätzte Einnahmequelle. Gegen hohe Geldzahlungen gewährte er einer ganzen Anzahl von ihnen Schutz- und Aufenthaltsrecht in Hannover. Da sie keine vollen bürgerlichen Rechte hatten, waren sie praktisch unbegrenzt besteuerbar und auch sonst einer ganzen Reihe von Beschränkungen unterworfen. Beim Überschreiten von Stadt- und Landesgrenzen mußten sie im Gegensatz zu den christlichen Einwohnern Leibzoll bezahlen
Es wurden auch Versuche unternommen, die in Sitte und Art so fremdartig erscheinenden Juden zu Christen zu machen. Aber dem setzten die Juden nach wie vor die Unabänderlichkeit ihres Religionsgesetzes und ihrer religiösen Formen entgegen

1622   im Calenbergischen wurde ihnen der Besuch von Synagogen untersagt und sie wurden zeitweilig gezwungen, christliche Kirchen zu besuchen, weil sie andernfalls mit hohen Strafen belegt wurden

1673   in Hannover ereignete sich zum wiederholten Male eine Freveltat, bei der von dem jüdischen Friedhof auf dem Sandberge vor dem Steintore widerrechtlich Sand abgefahren und Gräber und Grabsteine beschädigt wurden. Der hochgeachtete und später zum Hof- und Kammeragenten ernannte Hofjude Leffmann Behrens beklagte sich bitter bei den Herzögen. Den Missetätern wurden strenge Strafen angedroht und den Juden erneut das Recht auf die Unversehrtheit ihres Friedhofes bestätigt


1)     Dr. jur. Abraham Löb, Frankfurt 19O8: Rechtsverhältnisse der Juden im ehemaligen Königreiche und der jetzigen Provinz Hannover

2)   M. Zuckermann, Hannover 1912 Kollektanea zur Geschichte der Juden im Hannoverland



Friday, March 2, 2012

Das Meierding in Rössing (4)

Der Niedergang des Meierdings

Franz Schwerdtfeger aus Giesen hat sich sehr intensiv mit der Auflösung des Meierdings Rössing beschäftigt. Er schreibt in dem Buch: Giesen und seine Beelter Männer, daß Archivmaterial für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts deutlich macht, daß Meierdingsgüter in Besitz von Beamten gekommen waren und Meierdingsunterlagen (Meierdingsbücher):

 „in gantz ohnverantwortlicher weise supprimiert (unterdrückt) seyn, solches  aber aus keiner anderen uhrsache geschehen, denn daß wegen derer gar vielen von dem sehl. Oberambtmann Osterwaldt an sich gebrachter Erbländereyn niemand die eigentliche Beschaffenheit wißen soll“. (1)

Christoph Heinrich Osterwaldt ist mindestens seit 1673 Amtsschreiber, dann Amtmann und von 1702 bis 1717 Oberamtmann der großen Vogtei Calenberg. Seitdem wohnt er in Rössing, denn auf der alten Feste Calenberg gibt es keine standesgemäße Bleibe für ihn. Er baut in der Langen Straße Nr.17/19 Wohn- und Wirtschaftsgebäude und den schönen Brunnen mit der Jahreszahl 1685,der heute noch Wasser führt. Überall zieht er die Ländereien an sich und bewirtschaftet u.a. den Klunzhof, den ehemaligen Haupt- und Meierhof, als Herrschaftlichen Amtshof sowie die drei Vollmeierhöfe, deren Besitzer in den Türkenkriegen sind. Diese müssen klagen, daß er sie hinterher wieder herausgibt. Außerdem ist er Pächter des herzoglichen Domanialgutes, des heutigen Hausgutes Calenberg und steht dem Landgericht Calenberg vor. Es heißt, daß er von den 32.114 Talern, welche die 12.000 Einwohner des Amtes Calenberg im Jahr 1711 aufbringen müssen, allein 6.010 Taler zahlt. (2)
Es liegt nahe, daß das nicht mit rechten Dingen zugehen konnte.

Verfall des alten Brauchtums

Nach einem Bericht von 1719 war schon über 40 Jahre kein Meierding mehr abgehalten worden. So tritt ein Verfall des alten Brauchtums ein. In einer recht ausführlichen Beschreibung der Meierdingsgerichte im Amte Calenberg von 1752 gibt es nur noch zwei, eins in Alferde und eins in Sorsum zu Wittenburg. Das Rössinger Meierding wird gar nicht mehr erwähnt.
Im Jahre 1832, also kurz vor der Agrarreform, wird in Rössing eine Tabelle über die Verteilung des Grundeigentums erstellt. Darin werden die durch das Meierrecht gebundenen Ländereien aufgelistet, über die die Besitzer nicht frei verfügen konnten, und der frei veräußerliche Grundbesitz. Das an die Höfe gebundene Meierland beträgt 1050 Morgen und das freie Erbland 644 Morgen, davon sind noch 435 Morgen Meierdingsland. In diesen Angaben ist das Adelige Gut mit seinem Grundbesitz nicht enthalten. Dieses freie, erbliche, mittelalterliche Meierdingsland hat sich also bis ins 19. Jahrhundert erhalten. (3)

Die Agrarreform

1833 setzt in Hannover die Agrarreform ein, die sogenannte Bauernbefreiung, obwohl die Bauern als Person schon lange frei waren. Sie war ein gewaltiges verwaltungstechnisches Werk. Die Reform wurde nur durchsetzbar, weil sie auf eine entschädigungslose Enteignung des Adels und der anderen Grundbesitzer verzichtete. Die Bauern sollten endlich Eigentum an dem Land erhalten, das sie bewirtschafteten.
Zuerst erfolgt die Befreiung der Bauern von den Feudalabgaben wie Grundzinsen, Zehnte, Hand- und Spanndienste durch Zahlung des 25-fachen Jahresbetrages, der als abtragbare Hypothek eingetragen und im Laufe von Jahrzehnten getilgt wird. Dafür wird extra eine Bank gegründet, die Hannoversche Landeskreditanstalt.

Der hannoversche Minister Carl Bertram Stüve, der die Gesetze für die Landwirtschaftsreform in Hannover schuf, wiederholte aber nicht die Fehler, die in  Preußen 20 Jahre vorher gemacht wurden. Dort konnte ein großer Teil der Ablösegelder 1/3  - ½ , in Land bezahlt werden, die Güter der Grundbesitzer wuchsen, die Bauern verarmten und das Land entvölkerte sich. In Hannover kann nur 1/6 der Ablösungssumme des Zehnten in Land abgegolten werden, alles andere wird langfristig durch Kredite finanziert. Aber nicht alle verkraften die Kosten und müssen aufgeben und verkaufen.

Dann erfolgt die Gemeinheitsteilung, d.h. die von der Allgemeinheit genossenschaftlich genutzten Flächen werden unter die bisherigen Nutznießer aufgeteilt. Dann wird ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt, Zusammenlegung der verstreut liegenden Ländereien zu größeren Stücken. Das war dringend notwendig.
Zum Beispiel ergab eine Aufnahme der Flurstücke des Meierhofes Nr. 1 Windel/später Kroos aus dem Jahr 1778: 123,75 Morgen in 84 Stücken!  (4)

Außerdem muß ein neues Wege- und Grabennetz angelegt werden.
Im Zuge des großen Flurbereinigungsverfahrens wird auch der neue Friedhof am Rande des Dorfes eingerichtet. Jeder Landbesitzer erhält einige Quadratmeter Grund und Boden für ein ewiges Erbbegräbnis auf dem Friedhof und dafür entsprechend weniger Ackerland.

„Im Holze“, das ist das Gebiet zwischen der Eisenbahnlinie nach Göttingen und der Leine, das im 19. Jahrhundert noch teilweise bewaldet war, wird  die Flurbereinigung erst nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommen.

Zwischen 1980 und1990 mußte erneut ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt werden, als die neue ICE -Eisenbahnstrecke angelegt wurde, die die Rössinger Feldmark durchschnitt und neue Straßen- und Brückenbauten erforderte.

Quellen
(1).Franz Schwerdtfeger: Giesen und seine Beelter Männer
     1991 Verlag Lax Hildesheim , S. 60/61

(2).Archiv Rittergut II

(3).NHSA Hann 74 Cal Nr. 1054, 1056

(4).NHSA Hann 74 Cal Nr. 474

Das Meierding in Rössing (3)

Foto: Erhard Wolpert


Am Pastorenthie

In vielen niedersächsischen Dörfern erinnern noch heute Ortsbezeichnungen mit der Silbe Thie, Thing oder auch Ding an Gerichtsstätten und Versammlungsplätze aus früheren Jahrhunderten.
Auch in Rössing gab und gibt es einen solchen Platz. In der Ortsmitte am Fuße des kleinen Hügels mit dem Pfarrhaus stehen zwei Linden und davor ein geschnitztes Straßenschild: „Am Pastorenthie“, das die Erinnerung an einen Gerichtsplatz wachhält.

Durch vor einiger Zeit aufgefundene alte Prozeßakten erhält dieser Platz eine ganz besondere Bedeutung. Die teilweise über 400 Jahre alten Gerichtsprotokolle befassen sich mit den hier regelmäßig abgehaltenen Meierdingsgerichten. Der Ort, an dem diese stattfanden, war mit Sicherheit der durch Linden gekennzeichnete Platz vor dem Pfarrhaus, der „Pastorenthie.“ Denn Rössing war der Sitz eines Meierdings und auch Bauern, die in Giesen Land beackerten, das zu diesem Meierding gehörte, mußten zum Meierdingsgericht nach Rössing.

An anderen Ortschaften gab es auch andere Gerichte oder Thingstätten, wie z.B.das „Freiding“ in Giesen für die freien Bauern des „Güldenen Winkels“, zu dem die Ortschaften Himmelsthür, Emmerke, Sorsum, Escherde, Barnten, Rössing, Beelte und Giesen zählten. Die Besitzer von Freidingsland durften nur dieses beackern, um als freie Bauern zu gelten. Sie hatten ihren Gerichtsplatz mit dem Thiestein in Giesen. Dort wurde ihre Grundstücksangelegenheiten – und nur diese – behandelt.

Das „Goding“ befaßte sich mit Kriminalfällen und Landesjustiz, dessen Aufgaben Ende des 16. Jahrhunderts teilweise die Landgerichte der Ämterverwaltungen übernahmen und das „Holtding“ war zuständig für Holz- und Waldangelegenheiten.

Aber Rössing hatte ein Meierding und ein Meierdingsgericht. (1)

Das Meierdingsland und das Meierdingsgericht

Das Meierdingsgericht verhandelt und entscheidet Angelegenheiten, die das Meierdingsland betreffen. Alle Bauern, die Meierdingsland besitzen, auch wenn es nur ein ganz kleines Stück ist – gehören zu den Erben. Das Land, das von dem altfeudalen Meierding herstammt, hat bis ins 19. Jahrhundert immer einen besonderen rechtlichen Status behalten. Es ist Erbland und daher besonders begehrt und wertvoll.
Die rechtliche Stellung der Hörigen, der Laten, hat sich gegenüber der frühmittelalterlichen Situation verändert. Eine neue gesellschaftliche Ordnung hat sich zum Ende des 16. Jahrhunderts durchgesetzt. Die Bauern werden persönlich frei. Die Strukturen des alten Meierdings verändern sich und es zerfällt in Einzelhöfe.

Die Besitzer von Meierdingsland können frei über dies Land verfügen, sie können es vererben, verpfänden oder auch verschenken, denn es gehört ihnen. Verpfändungen und Veräußerungen von Meierdingsland, Verschreibungen als Altenteil usw. werden sorgfältig hier verhandelt und genau im „Meierdingsbuche“ festgehalten, wie heute in den Grundbüchern.
Für die Zeit ab 1589 sind sehr ausführliche Aktenprotokolle über die in Rössing abgehaltenen Meierdingsgerichte erhalten: 1589, vier Protokolle in 1604, 1608, 1615, 1616, 1618, 1620, 1621, 1630, 1650, 1659, 1662. Sie enthalten Kauf- und Pfandbriefe sowie Prozeßakten. Das Papier ist vergilbt, die Tinte, mit dem Federkiel zu Papier gebracht, ist nach 400 Jahren verblaßt, die Schrift kaum zu entziffern. Und der Sand, der damals die Tintenschrift löschte – trocknete, rieselt z.T. noch heute aus den Seiten des Dokuments. (2)
Später wird die Aktenlage über das Meierding dünn.

Die alten Meierdingsgerichte folgen festen Verfahrensregeln und Ritualen, die heute schwer verständlich sind. Zuerst fragt der Meierdingsvogt die alten Rechtsgrundsätze ab, die immer auf die gleiche Weise von zwei gewählten Vorsprechern beantwortet werden müssen. Niemand darf im Verfahren seine Streitfragen selbst vortragen oder ungefragt sprechen, auch dies ist Aufgabe der Vorsprecher.
Als 1538 das Meierding Rössing in den Besitz der Calenberger Herzöge übergeht,
treten die Calenbergischen Beamten, also Amtmann und Amtsschreiber als Gerichts- und Meierdingsherr in Vertretung ihres Landesherrn auf, der hier als lllustrissimo bezeichnet wird. Von jedem Landverkauf, der hier getätigt wird, stehen ihm 2,5% des Erlöses zu. Alle Umsatzgebühren werden genau registriert.

Die typischen Abgaben der Meierdingsleute an den Grundherrn, der hier auch der Landesherrn ist, sind bei Heirat Bedemund (Betterlaubnis) und im Erbfall Baulebung Und jedes Jahr ist ein Hals- oder Rauchhuhn abzuliefern – eine Überlieferung aus der Zeit, als die Hörigen noch als Halseigene bezeichnet wurden. Rauchhühner sind keine geräucherten Hühner, sondern der Zins für einen Hof, bzw. für ein Haus, aus dem Rauch aufsteigt, das also eine Feuerstätte hat.

Das Meierrecht

Als die Fronhofsverbände zerfallen, bilden sich Vorformen des Meierrechtes.
Durch Hofzusammenlegungen entstehen aus den ehemaligen Ein-Hufe-Höfen sogenannte Vollmeierhöfe mit 3 - 4 Hufen Land oder Halbmeierhöfe durch die Teilung von Vollmeierhöfen. Die kleinsten sind die Köthnerstellen mit 30 und weniger Morgen. Die Bauern können nun Land auf Zeit von anderen Grundherren pachten. Dafür müssen sie Meierzins zahlen. Schon das Wort Meier kennzeichnet nicht die genaue Art des Besitzrechtes. Ursprünglich war der Meier der Verwalter eines Meierdings oder eines Amtes, später geht der Name auf diejenigen Meierdingsleute über, die wenigstens 2 Hufen beackern.
Die wichtigsten Gesetzessammlungen, die das Meierrecht für den hiesigen Raum regeln, sind der Gandersheimer Landtagsabschied von 1601, eine Verordnung über die Besetzung der Bauernhöfe von 1691 und die Calenberger Meierordnung von 1772.
In Meierbriefen werden die Bedingungen über den Meierzins, den Fleisch- und Getreidezehnten und die Hand- und Spanndienste gegenüber dem Grundherren festgelegt. Bei Mißwirtschaft oder unpünktlicher Zahlung konnte der Hof entzogen werden. (Abmeierung).
In hiesiger Gegend betrieb die welfische Landesherrschaft allerdings schon früh eine bewußte Bauernschutzpolitik, denn ein gesunder Bauernstand bildete eine sichere Steuerquelle. Um den Bauern gegen die Willkür der Grundherren mehr Sicherheit zu geben, wurden die Höfe um 1600 erblich und das Abmeiern erschwert.
Die Hofgröße – Vollmeier – Halbmeier – Köthner - definiert nicht nur den sozialen Rang, sondern auch bestimmte Wirtschaftsmöglichkeiten des Hofbesitzers. Eingereiht in die Gruppe der Reiheleute hat er eine bestimmte Allmendeberechtigung, d.h. ein anteilmäßiges Nutzungsrecht an der nicht aufgeteilten kommunalen Gemarkung Rössing. Er kann auf der Allmende – wann und wie lange ist genau geregelt – sein Vieh grasen lassen oder Holz schlagen. Sogenannte Anbauer und Brinksitzer, die kein kein eigenes Land, höchstens einen Garten haben, sind entsprechend nicht allmendeberechtigt.

Quellen:
(1) Katharina Schrader. Die Bauern von Giesen
Druck: kcs & ddh GmbH, Hildesheim 1997

  1. NHSA Hann 74 Cal. Nr. 347, 350, 351, 352, 353, 354, 944,



Das Meierding in Rössing (2)

Wechsel der Besitzer

1348 gibt das Kloster die Eigenbewirtschaftung des Meierdings auf und verkauft es auf Lebenszeit an Bodo von Saldern - wahrscheinlich war die Bewirtschaftung wegen der Entfernung zu Helmarshausen zu aufwendig geworden. Nach dem Tod Salderns, als das Meierding wieder an das Kloster Helmarshausen zurückfällt, wird es offenbar an die Familie von Rössing verpfändet. (1)

Über diese Verpfändung selbst sind keine sicheren Unterlagen aufzufinden. Aus einer Urkunde vom Jahre 1417 geht aber zweifelsfrei hervor, daß die Brüder Siverd und Diederich von Rössing Pfandinhaber des Meierdings gewesen sein müssen. Denn das Kloster Helmarshausen kauft es ihnen im Jahr 1417 für 1000 Gulden wieder ab. Das ist das einzige Mal, daß das Meierding in den „Stammtafeln“ der Herren von Rössing genannt wird.(2) Gleichzeitig verpfändet Diderik, der Abt von Helmarshausen, das halbe Meierding für 10 Jahre an Hilmar von Otze, den Probst im Kloster am Moritzberg. Das Godehardikloster Hildesheim zahlt dessen Erben dann nach 10 Jahren die Pfandsumme zurück, und so gelangt eine Hälfte des Amtes oder Meierdings in den Besitz des Godehardiklosters. (3)

In diesem Kaufvertrag wird das Meierding sehr genau beschrieben. Verkauft werden immer noch 22 Hufe, aber nur noch 21 Höfe - 1375 war ein Höriger von seiner Hofstelle entflohen und nicht wieder eingefangen worden; die Hofstelle blieb unbesetzt. Dazu kommt der Amtshof mit 6 Hufen, eine „Kammerhufe“ genannte Hufe und 15 Morgen, das sogenannte Berner Gut. Pauschal aufgeführt werden Wiesen, Weiden und Holzung, die Vogtei und die Gerichtsbarkeit, außerdem 2 Hufe in Bevelte und 5 Hufe in Werbeke, Acker- und Weideland also, das zu zwei, heute untergegangenen Ortschaften in der Nähe von Rössing gehörte und immer schon vom Kloster Helmarshausen zusammen mit dem Rössinger Meierding verpfändet worden war. Durch geschickte Geldgeschäfte erlangt das Hildesheimische Godehardikloster in der folgenden Zeit den Pfandbesitz über das gesamte Meierding. (4)

Das Meierding, ein begehrter Besitz

Nach der Hildesheimer Stiftsfehde, 1519 bis 1523, wird das Stift zerschlagen und unter die angrenzenden welfischen Fürstentümer aufgeteilt. Es bleibt nur das sogenannte „kleine Stift“ übrig, das aus den drei Ämtern Steuerwald, Marienburg, Peine und der Domprobstei besteht. Das Dorf Rössing, an der Westgrenze des Bistums gelegen, wird dem welfischen Amt Calenberg zugeordnet. Herzog Erich d.Ä. nutzt 1526 die Gunst der Stunde und behauptet, seine Vorfahren hätten das Kloster Helmarshausen gestiftet und der Reichsabtei das Rössinger Meierding geschenkt.

Jetzt, wo die Abtei durch die Reformation in Auflösung begriffen ist, macht er durch tätliches Vorgehen Ansprüche an St. Godehard geltend. Der Abt des Godehardiklosters beschwert sich darüber bei Bischof Balthasar - vergebens. Aber er gibt nicht auf und klagt nun beim Kammergericht gegen Herzog Erich d.Ä. wegen gewaltsamer „Absetzung von jenem Amte und Abziehung der zugehörigen Leute vom Godehardikloster in calenbergischen Dienst“. Jetzt kommt sogar Karl V., der Kaiser in Wien, ins Spiel. Am 7. Oktober 1530 erläßt er ein Restitutionsmandat an Herzog Erich d.Ä., der damit gezwungen ist sich zurückziehen bzw. wieder herauszugeben, was er ohne rechtliche Grundlage gewaltsam vereinnahmt hat. (5)
Die Behauptung, daß die Welfen Kloster Helmarshausen gestiftet hätten, ist nachweislich nicht richtig - es war im Jahre 998 von dem Helmarshäuser Grafen Eckhard und seiner Frau Mathilde gegründet worden. Allerdings hatte Heinrich der Löwe eine besondere Beziehung zu diesem Benediktinerkloster, das durch seine Buchmalerei und Goldschmiedekunst berühmt war. Das kostbare Evangeliar Heinrichs des Löwen, das 1983 in der Öffentlichkeit soviel Aufmerksamkeit erregte, weil es wie eine x-beliebige Antiquität von einem Auktionshaus zum Kauf angeboten worden war, es war von dem Mönch Herimann in Helmarshausen hergestellt worden. Heinrich der Löwe war zwar bis zu seiner Verbannung im Jahre 1180 Schutzvogt des Klosters Helmarshausen und seiner Besitzungen gewesen, aber eben nicht sein Stifter. (6)

Herzog Erich d. Ä. erwirbt 1537/38 das Meierding Rössing

1537/38 macht Herzog Erich d.Ä. einen erneuten Vorstoß, um sich das Meierding in Rössing einzuverleiben. Er schaltet sich geschickt ein in einen Streit zwischen dem Godehardikloster und dem durch die Reformation in Auflösung begriffenen Kloster Helmarshausen um das verpfändete Meierding Rössing und erwirbt es für sich selbst. Der Pfandvertrag ist auf 60 Jahre angelegt und enthält eine bezeichnende Einschränkung: nur wenn das Kloster die Bewirtschaftung wieder selbst übernähme, sollte es die Möglichkeit haben, die Pfandschaft nach sechs Jahrzehnten wieder einzulösen. Das aber war aussichtslos, der Pfandvertrag bedeutet also eine Abtretung auf Dauer. (7)

Das Meierding wird nun als Vogtei Rössing dem Amt Calenberg unterstellt und Landesherren sind nicht mehr die Bischöfe von Hildesheim, sondern die Welfenherzöge; auch die Herren von Rössing müssen sie als Lehnsherren anerkennen. Zwar gehörte Rössing zum Amt Steuerwald, das Bestandteil des „Kleinen Stiftes“ gewesen war, aber es wird nach der Wiederherstellung des „Großen Stiftes“, 1643, nicht wieder zurückgegeben. Von nun an gelten die Calenberger Gesetze.


Quellen
  1. Overham VIII, 134.

(2) August Frh. von Rössing: Die Stammtafeln des Geschlechts derer von Rössing
Gebr. Gerstenberg in Hildesheim 1900

(3) NHSA Hannover Sign:Cal Or Des 24 neu Nr. 14 vom Jahr 1417

(4) NHSA Hannover Sign:Cal Or Des 24 neu Nr.17 von 1427

(5) Lit. Bistumsgeschichte Bertram II von 1916, S. 56, Cod. Bev. 313, 50, 51. Cod
Bev.221, 427, Wien Judicialia miscell. H. fasc. 2, und Hildesheim 191.

(6) Hermann Schmidt: Beiträge zur Geschichte der Stadt, der Reichsabtei
und der Kunstwerkstätten Helmarshausen, Lippoldsberg 1981

(7) NHSA Hannover: Sign. Cal Or Des 24 neu Nr.54

Unfreie Bauern auf kirchlichem Grundbesitz und ein Abt mit Gefolge

Neben den Herren von Rössing gab es im Mittelalter einen zweiten großen Grundherren in Rössing, das war das Kloster Helmarshausen an der Diemel, – heute Stadt Karlshafen, Landkreis Kassel, das hier eine bedeutende Villikation besaß, auch Fronhofswirtschaft oder Meierding genannt.

Ein Meierding ist, wie die Fronhofwirtschaft insgesamt, eine Betriebsform, durch die der feudale Grundherr - in diesem Fall das Kloster Helmarshausen – bestimmte, vertraglich festgeschriebene Einkünfte und Dienstleistungen erzielt, wenn unfreie Bauern, die sogenannten Hörigen, die man auch Liten oder Laten nennt, sein Land bearbeiten.

Ein frühes, wahrscheinlich das früheste schriftliche Zeugnis, das Auskunft gibt über die materiellen Lebensbedingungen dieser Bauern im mittelalterlichen Rössing findet sich in einer in Latein verfaßten Heberolle des Klosters Helmarshausen. In dieser zwischen 1118 und 1125 verfertigten Heberolle, in der die Steuerlasten und Abgaben verzeichnet sind, die das Kloster als Großgrundbesitzer denen abverlangt, die das Land bestellen, erfahren wir zum ersten Mal von dem Meierding in Rössing und damit indirekt von den Bauern „in dem Dorfe und uppe dem Velde bei Rotsingen.“

Zu Beginn des 12. Jahrhunderts sind es 22 Hörige, die mit dem Land, das ihnen nicht gehört, den Hufen, und mit 22 Höfen das Rössinger Meierding bilden. Die Bauern sind in jeder Hinsicht unfrei, sie müssen nicht nur einen Teil ihrer Ernte abgeben, sie dürfen nicht einmal das Land, das sie bearbeiten, 'ihre' Hufe, ohne Einwilligung des Grundherrn verlassen. Eine Hufe Ackerland bildet zu dieser Zeit die Lebensgrundlage für eine Hörigenfamilie, wobei wir nicht genau wissen, wie groß diese Hufe war, wahrscheinlich 30 Morgen. Davon waren 1/3 Sommergetreide, 1/3 Wintergetreide, 1/3 Brache (Dreifelderwirtschaft). Der Morgen war eine Ackerfläche, die mit einem Gespann an einem Morgen, d.h. im Laufe eines Vormittags gepflügt werden konnte. Aber die Größe der Hufe war gebietsweise unterschiedlich. Erst um 1650 wurde die Hufe hier einheitlich zu einem Flächenmaß von 30 Morgen – 7,5 ha festgelegt. (1)

Liefertermine und Höhe der Abgaben

Kloster Helmarshausen bewirtschaftet das Meierding in Rössing selbst. Ein von ihm eingesetzter Beamter oder „Meier“ verwaltet den dazugehörigen Amtshof, auf dem die hörigen Bauern Dienste leisten. Hier müssen die dem Kloster zustehenden Naturalabgaben vertragsgemäß abgeliefert werden. Der Abt des Klosters erscheint dreimal jährlich mit 12 Knechten und Pferden in Rössing, um die Abgaben abzuholen. Das sind Eier, Hühner, Käse, viele Malter Getreide, Öl- und Hülsenfrüchte. Zu Weihnachten sind fette Schweine und Gänse ins 80 Kilometer entfernte Kloster zu liefern, dazu Lämmer und Magerschweine für die Tafel des Abtes und zur Fastenzeit gesalzene Fische. Das erklärt auch, warum bei den meisten klostereigenen Villikationen Teiche angelegt und Fischwirtschaft betrieben wurde.

Zum Fest Apostelorum Petri und Paul sind ebenfalls Käse, Hühner, Eier und andere Abgaben zu erbringen und es ist sicher kein Zufall, daß die um 1290 erbaute Kirche in Rössing den Namen St. Peter und Paul trägt. Weitere Zwangsabgaben bzw. Dienstleistungen: viermal pro Jahr Hufbeschlag, die Häute vom Rinderstall und sechs Wochen Weidegang für das Pferd des Abtes. Die Beamten und Bediensteten des Klosters, die die Früchte der kleinbäuerlichen Arbeit abtransportieren, müssen in Rössing drei Tage beherbergt, beköstigt und mit Met und Bier versorgt werden. Auf kleineren Betriebseinheiten, Ämtern, lastet nur eine Herbergspflicht von ein bis zwei Tagen, was die Bedeutung Rössings für das Kloster indirekt unterstreicht. (2)

Schwierige Lebensumstände der Bauern

Über die näheren Lebensumstände der Menschen, der Bauern und Bäuerinnen und ihrer Kinder, die in „Rotsingen“ leben und die kirchlichen Feudalherren mit einem Teil ihrer Arbeit ernähren, erfahren wir nichts. Entsprechend ihrer ökonomischen Rechtlosigkeit gibt es von ihnen so gut wie keine Zeugnisse. Die Bauern werden wie Besitz-Gegenstände behandelt, buchstäblich gehandelt. Bei Grundstücksgeschäften werden sie von ihrer Herrschaft mitverkauft, verpfändet oder vertauscht.

In den zahlreichen mittelalterlichen Fehden sind sie die Opfer, wenn die Menschen erschlagen, - ihre Häuser und Höfe geplündert und verbrannt, die reifen Felder zerstampft und angezündet werden und das Vieh als Beute fortgetrieben wird. Es gilt die Devise: schlägst du den Bauern, triffst du den Herren.

Seit 1481 streitet sich der Bischof mit dem Rat der Stadt Hildesheim im sogenannten Bierkrieg. Um seine zerrütteten Finanzen zu sanieren, verlangt der Bischof eine neue Steuer, die Bierzyse. Diese soll der Rat durch eine Erhöhung des Bierpreises für das in Hildesheim gebraute Bier aufbringen, für das die Stadt das Monopol besitzt. Der Rat weigert sich, und um die Wirtschaftskraft des Fürstbischofs noch mehr zu schädigen, überfallen die Söldner des Rates 1486 die stifftschen Dörfer. Im Diarium des Bürgermeisters Henning Brandis heißt es inhaltlich: - Am Abend des heiligen Laurentius (9.August) verbrannten die Unsern Mahlerten, Rössing, Giften, Barnten und Giesen.

Eine ähnliche Katastrophe ereignet sich zu Beginn der Stiftsfehde 1519. Da heißt es: In der Zeit von Ostern bis Pfingsten sind von den Feinden angezündet worden
Rössing und Giesen.

Quellen
(1) Heinz Georg Röhrbein, Quellenbegriffe des 16. bis 19 Jahrhunderts
Verlag August Lax Hildesheim 1991

(2) Wenck, Helfrich Bernhard: Hess. Landesgesch. Bd. 2, Urkundenbuch: Heberolle u. Gefälle des Klosters Helmarshausen, Frankfurt, Leipzig 1789 (in Latein)

Thursday, March 1, 2012

Das Meierding in Rössing (1)

Unfreie Bauern auf kirchlichem Grundbesitz und ein Abt mit Gefolge

Neben den Herren von Rössing gab es im Mittelalter einen zweiten großen Grundherren in Rössing, das war das Kloster Helmarshausen an der Diemel, – heute Stadt Karlshafen, Landkreis Kassel, das hier eine bedeutende Villikation besaß, auch Fronhofswirtschaft oder Meierding genannt.

Ein Meierding ist, wie die Fronhofwirtschaft insgesamt, eine Betriebsform, durch die der feudale Grundherr - in diesem Fall das Kloster Helmarshausen – bestimmte, vertraglich festgeschriebene Einkünfte und Dienstleistungen erzielt, wenn unfreie Bauern, die sogenannten Hörigen, die man auch Liten oder Laten nennt, sein Land bearbeiten.

Ein frühes, wahrscheinlich das früheste schriftliche Zeugnis, das Auskunft gibt über die materiellen Lebensbedingungen dieser Bauern im mittelalterlichen Rössing findet sich in einer in Latein verfaßten Heberolle des Klosters Helmarshausen. In dieser zwischen 1118 und 1125 verfertigten Heberolle, in der die Steuerlasten und Abgaben verzeichnet sind, die das Kloster als Großgrundbesitzer denen abverlangt, die das Land bestellen, erfahren wir zum ersten Mal von dem Meierding in Rössing und damit indirekt von den Bauern „in dem Dorfe und uppe dem Velde bei Rotsingen.“

Zu Beginn des 12. Jahrhunderts sind es 22 Hörige, die mit dem Land, das ihnen  nicht gehört, den Hufen, und mit 22 Höfen das Rössinger Meierding bilden. Die Bauern sind in jeder Hinsicht unfrei, sie müssen nicht nur einen Teil ihrer Ernte abgeben, sie dürfen nicht einmal das Land, das sie bearbeiten, 'ihre' Hufe, ohne Einwilligung des Grundherrn verlassen. Eine Hufe Ackerland bildet zu dieser Zeit die Lebensgrundlage für eine Hörigenfamilie, wobei wir nicht genau wissen, wie groß diese Hufe war, wahrscheinlich 30 Morgen. Davon waren 1/3 Sommergetreide, 1/3 Wintergetreide, 1/3 Brache (Dreifelderwirtschaft). Der Morgen war eine Ackerfläche, die mit einem Gespann an einem Morgen, d.h. im Laufe eines Vormittags gepflügt werden konnte. Aber die Größe der Hufe war gebietsweise unterschiedlich. Erst um 1650 wurde die Hufe hier einheitlich zu einem Flächenmaß von 30 Morgen – 7,5 ha festgelegt. (1)

Liefertermine und Höhe der Abgaben

Kloster Helmarshausen bewirtschaftet das Meierding in Rössing selbst. Ein von ihm eingesetzter Beamter oder „Meier“ verwaltet den dazugehörigen Amtshof, auf dem die hörigen Bauern Dienste leisten. Hier müssen die dem Kloster zustehenden Naturalabgaben vertragsgemäß abgeliefert werden. Der Abt des Klosters erscheint dreimal jährlich mit 12 Knechten und Pferden in Rössing, um die Abgaben abzuholen. Das sind Eier, Hühner, Käse, viele Malter Getreide, Öl- und Hülsenfrüchte. Zu Weihnachten sind fette Schweine und Gänse ins 80 Kilometer entfernte Kloster zu liefern, dazu Lämmer und Magerschweine für die Tafel des Abtes und zur Fastenzeit gesalzene Fische. Das erklärt auch, warum bei den meisten klostereigenen Villikationen  Teiche angelegt und Fischwirtschaft betrieben wurde.

Zum Fest Apostelorum Petri und Paul sind ebenfalls Käse, Hühner, Eier und andere Abgaben zu erbringen und es ist sicher kein Zufall, daß die um 1290 erbaute Kirche in Rössing den Namen St. Peter und Paul trägt. Weitere Zwangsabgaben bzw. Dienstleistungen: viermal pro Jahr Hufbeschlag, die Häute vom Rinderstall und sechs Wochen Weidegang für das Pferd des Abtes. Die Beamten und Bediensteten des Klosters, die die  Früchte der kleinbäuerlichen Arbeit abtransportieren, müssen in Rössing drei Tage beherbergt, beköstigt und mit Met und Bier versorgt werden. Auf kleineren Betriebseinheiten, Ämtern, lastet nur eine Herbergspflicht von ein bis zwei Tagen, was die Bedeutung Rössings für das Kloster indirekt unterstreicht. (2)

Schwierige Lebensumstände der Bauern

Über die näheren Lebensumstände der Menschen, der Bauern und Bäuerinnen und ihrer Kinder, die in „Rotsingen“ leben und die kirchlichen Feudalherren mit einem Teil ihrer Arbeit ernähren, erfahren wir nichts. Entsprechend ihrer ökonomischen Rechtlosigkeit gibt es von ihnen so gut wie keine Zeugnisse. Die Bauern werden wie Besitz-Gegenstände behandelt, buchstäblich gehandelt. Bei Grundstücksgeschäften werden sie von ihrer Herrschaft mitverkauft, verpfändet oder vertauscht.

In den zahlreichen mittelalterlichen Fehden sind sie die Opfer, wenn die Menschen erschlagen, - ihre Häuser und Höfe geplündert und verbrannt, die reifen Felder zerstampft und angezündet werden und das Vieh als Beute fortgetrieben wird. Es gilt die Devise: schlägst du den Bauern, triffst du den Herren.

Seit 1481 streitet sich der Bischof mit dem Rat der Stadt Hildesheim im sogenannten Bierkrieg. Um seine zerrütteten Finanzen zu sanieren, verlangt der Bischof eine neue Steuer, die Bierzyse. Diese soll der Rat durch eine Erhöhung des Bierpreises für das in Hildesheim gebraute Bier aufbringen, für das die Stadt das Monopol besitzt. Der Rat weigert sich, und um die Wirtschaftskraft des Fürstbischofs noch mehr zu schädigen, überfallen die Söldner des Rates 1486 die stifftschen Dörfer. Im Diarium des Bürgermeisters Henning Brandis heißt es inhaltlich: - Am Abend des heiligen Laurentius (9.August) verbrannten die Unsern Mahlerten, Rössing, Giften, Barnten und Giesen.

Eine ähnliche Katastrophe ereignet sich zu Beginn der Stiftsfehde 1519. Da heißt es: In der Zeit von Ostern bis Pfingsten sind von den Feinden angezündet worden Rös -sing und Giesen.

Quellen
(1) Heinz Georg Röhrbein, Quellenbegriffe des 16. bis 19 Jahrhunderts
Verlag August Lax Hildesheim 1991

(2) Wenck, Helfrich Bernhard: Hess. Landesgesch. Bd. 2, Urkundenbuch: Heberolle u. Gefälle des Klosters  Helmarshausen, Frankfurt, Leipzig 1789 (in Latein)