Friday, March 2, 2012

Unfreie Bauern auf kirchlichem Grundbesitz und ein Abt mit Gefolge

Neben den Herren von Rössing gab es im Mittelalter einen zweiten großen Grundherren in Rössing, das war das Kloster Helmarshausen an der Diemel, – heute Stadt Karlshafen, Landkreis Kassel, das hier eine bedeutende Villikation besaß, auch Fronhofswirtschaft oder Meierding genannt.

Ein Meierding ist, wie die Fronhofwirtschaft insgesamt, eine Betriebsform, durch die der feudale Grundherr - in diesem Fall das Kloster Helmarshausen – bestimmte, vertraglich festgeschriebene Einkünfte und Dienstleistungen erzielt, wenn unfreie Bauern, die sogenannten Hörigen, die man auch Liten oder Laten nennt, sein Land bearbeiten.

Ein frühes, wahrscheinlich das früheste schriftliche Zeugnis, das Auskunft gibt über die materiellen Lebensbedingungen dieser Bauern im mittelalterlichen Rössing findet sich in einer in Latein verfaßten Heberolle des Klosters Helmarshausen. In dieser zwischen 1118 und 1125 verfertigten Heberolle, in der die Steuerlasten und Abgaben verzeichnet sind, die das Kloster als Großgrundbesitzer denen abverlangt, die das Land bestellen, erfahren wir zum ersten Mal von dem Meierding in Rössing und damit indirekt von den Bauern „in dem Dorfe und uppe dem Velde bei Rotsingen.“

Zu Beginn des 12. Jahrhunderts sind es 22 Hörige, die mit dem Land, das ihnen nicht gehört, den Hufen, und mit 22 Höfen das Rössinger Meierding bilden. Die Bauern sind in jeder Hinsicht unfrei, sie müssen nicht nur einen Teil ihrer Ernte abgeben, sie dürfen nicht einmal das Land, das sie bearbeiten, 'ihre' Hufe, ohne Einwilligung des Grundherrn verlassen. Eine Hufe Ackerland bildet zu dieser Zeit die Lebensgrundlage für eine Hörigenfamilie, wobei wir nicht genau wissen, wie groß diese Hufe war, wahrscheinlich 30 Morgen. Davon waren 1/3 Sommergetreide, 1/3 Wintergetreide, 1/3 Brache (Dreifelderwirtschaft). Der Morgen war eine Ackerfläche, die mit einem Gespann an einem Morgen, d.h. im Laufe eines Vormittags gepflügt werden konnte. Aber die Größe der Hufe war gebietsweise unterschiedlich. Erst um 1650 wurde die Hufe hier einheitlich zu einem Flächenmaß von 30 Morgen – 7,5 ha festgelegt. (1)

Liefertermine und Höhe der Abgaben

Kloster Helmarshausen bewirtschaftet das Meierding in Rössing selbst. Ein von ihm eingesetzter Beamter oder „Meier“ verwaltet den dazugehörigen Amtshof, auf dem die hörigen Bauern Dienste leisten. Hier müssen die dem Kloster zustehenden Naturalabgaben vertragsgemäß abgeliefert werden. Der Abt des Klosters erscheint dreimal jährlich mit 12 Knechten und Pferden in Rössing, um die Abgaben abzuholen. Das sind Eier, Hühner, Käse, viele Malter Getreide, Öl- und Hülsenfrüchte. Zu Weihnachten sind fette Schweine und Gänse ins 80 Kilometer entfernte Kloster zu liefern, dazu Lämmer und Magerschweine für die Tafel des Abtes und zur Fastenzeit gesalzene Fische. Das erklärt auch, warum bei den meisten klostereigenen Villikationen Teiche angelegt und Fischwirtschaft betrieben wurde.

Zum Fest Apostelorum Petri und Paul sind ebenfalls Käse, Hühner, Eier und andere Abgaben zu erbringen und es ist sicher kein Zufall, daß die um 1290 erbaute Kirche in Rössing den Namen St. Peter und Paul trägt. Weitere Zwangsabgaben bzw. Dienstleistungen: viermal pro Jahr Hufbeschlag, die Häute vom Rinderstall und sechs Wochen Weidegang für das Pferd des Abtes. Die Beamten und Bediensteten des Klosters, die die Früchte der kleinbäuerlichen Arbeit abtransportieren, müssen in Rössing drei Tage beherbergt, beköstigt und mit Met und Bier versorgt werden. Auf kleineren Betriebseinheiten, Ämtern, lastet nur eine Herbergspflicht von ein bis zwei Tagen, was die Bedeutung Rössings für das Kloster indirekt unterstreicht. (2)

Schwierige Lebensumstände der Bauern

Über die näheren Lebensumstände der Menschen, der Bauern und Bäuerinnen und ihrer Kinder, die in „Rotsingen“ leben und die kirchlichen Feudalherren mit einem Teil ihrer Arbeit ernähren, erfahren wir nichts. Entsprechend ihrer ökonomischen Rechtlosigkeit gibt es von ihnen so gut wie keine Zeugnisse. Die Bauern werden wie Besitz-Gegenstände behandelt, buchstäblich gehandelt. Bei Grundstücksgeschäften werden sie von ihrer Herrschaft mitverkauft, verpfändet oder vertauscht.

In den zahlreichen mittelalterlichen Fehden sind sie die Opfer, wenn die Menschen erschlagen, - ihre Häuser und Höfe geplündert und verbrannt, die reifen Felder zerstampft und angezündet werden und das Vieh als Beute fortgetrieben wird. Es gilt die Devise: schlägst du den Bauern, triffst du den Herren.

Seit 1481 streitet sich der Bischof mit dem Rat der Stadt Hildesheim im sogenannten Bierkrieg. Um seine zerrütteten Finanzen zu sanieren, verlangt der Bischof eine neue Steuer, die Bierzyse. Diese soll der Rat durch eine Erhöhung des Bierpreises für das in Hildesheim gebraute Bier aufbringen, für das die Stadt das Monopol besitzt. Der Rat weigert sich, und um die Wirtschaftskraft des Fürstbischofs noch mehr zu schädigen, überfallen die Söldner des Rates 1486 die stifftschen Dörfer. Im Diarium des Bürgermeisters Henning Brandis heißt es inhaltlich: - Am Abend des heiligen Laurentius (9.August) verbrannten die Unsern Mahlerten, Rössing, Giften, Barnten und Giesen.

Eine ähnliche Katastrophe ereignet sich zu Beginn der Stiftsfehde 1519. Da heißt es: In der Zeit von Ostern bis Pfingsten sind von den Feinden angezündet worden
Rössing und Giesen.

Quellen
(1) Heinz Georg Röhrbein, Quellenbegriffe des 16. bis 19 Jahrhunderts
Verlag August Lax Hildesheim 1991

(2) Wenck, Helfrich Bernhard: Hess. Landesgesch. Bd. 2, Urkundenbuch: Heberolle u. Gefälle des Klosters Helmarshausen, Frankfurt, Leipzig 1789 (in Latein)

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