Friday, March 2, 2012

Das Meierding in Rössing (4)

Der Niedergang des Meierdings

Franz Schwerdtfeger aus Giesen hat sich sehr intensiv mit der Auflösung des Meierdings Rössing beschäftigt. Er schreibt in dem Buch: Giesen und seine Beelter Männer, daß Archivmaterial für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts deutlich macht, daß Meierdingsgüter in Besitz von Beamten gekommen waren und Meierdingsunterlagen (Meierdingsbücher):

 „in gantz ohnverantwortlicher weise supprimiert (unterdrückt) seyn, solches  aber aus keiner anderen uhrsache geschehen, denn daß wegen derer gar vielen von dem sehl. Oberambtmann Osterwaldt an sich gebrachter Erbländereyn niemand die eigentliche Beschaffenheit wißen soll“. (1)

Christoph Heinrich Osterwaldt ist mindestens seit 1673 Amtsschreiber, dann Amtmann und von 1702 bis 1717 Oberamtmann der großen Vogtei Calenberg. Seitdem wohnt er in Rössing, denn auf der alten Feste Calenberg gibt es keine standesgemäße Bleibe für ihn. Er baut in der Langen Straße Nr.17/19 Wohn- und Wirtschaftsgebäude und den schönen Brunnen mit der Jahreszahl 1685,der heute noch Wasser führt. Überall zieht er die Ländereien an sich und bewirtschaftet u.a. den Klunzhof, den ehemaligen Haupt- und Meierhof, als Herrschaftlichen Amtshof sowie die drei Vollmeierhöfe, deren Besitzer in den Türkenkriegen sind. Diese müssen klagen, daß er sie hinterher wieder herausgibt. Außerdem ist er Pächter des herzoglichen Domanialgutes, des heutigen Hausgutes Calenberg und steht dem Landgericht Calenberg vor. Es heißt, daß er von den 32.114 Talern, welche die 12.000 Einwohner des Amtes Calenberg im Jahr 1711 aufbringen müssen, allein 6.010 Taler zahlt. (2)
Es liegt nahe, daß das nicht mit rechten Dingen zugehen konnte.

Verfall des alten Brauchtums

Nach einem Bericht von 1719 war schon über 40 Jahre kein Meierding mehr abgehalten worden. So tritt ein Verfall des alten Brauchtums ein. In einer recht ausführlichen Beschreibung der Meierdingsgerichte im Amte Calenberg von 1752 gibt es nur noch zwei, eins in Alferde und eins in Sorsum zu Wittenburg. Das Rössinger Meierding wird gar nicht mehr erwähnt.
Im Jahre 1832, also kurz vor der Agrarreform, wird in Rössing eine Tabelle über die Verteilung des Grundeigentums erstellt. Darin werden die durch das Meierrecht gebundenen Ländereien aufgelistet, über die die Besitzer nicht frei verfügen konnten, und der frei veräußerliche Grundbesitz. Das an die Höfe gebundene Meierland beträgt 1050 Morgen und das freie Erbland 644 Morgen, davon sind noch 435 Morgen Meierdingsland. In diesen Angaben ist das Adelige Gut mit seinem Grundbesitz nicht enthalten. Dieses freie, erbliche, mittelalterliche Meierdingsland hat sich also bis ins 19. Jahrhundert erhalten. (3)

Die Agrarreform

1833 setzt in Hannover die Agrarreform ein, die sogenannte Bauernbefreiung, obwohl die Bauern als Person schon lange frei waren. Sie war ein gewaltiges verwaltungstechnisches Werk. Die Reform wurde nur durchsetzbar, weil sie auf eine entschädigungslose Enteignung des Adels und der anderen Grundbesitzer verzichtete. Die Bauern sollten endlich Eigentum an dem Land erhalten, das sie bewirtschafteten.
Zuerst erfolgt die Befreiung der Bauern von den Feudalabgaben wie Grundzinsen, Zehnte, Hand- und Spanndienste durch Zahlung des 25-fachen Jahresbetrages, der als abtragbare Hypothek eingetragen und im Laufe von Jahrzehnten getilgt wird. Dafür wird extra eine Bank gegründet, die Hannoversche Landeskreditanstalt.

Der hannoversche Minister Carl Bertram Stüve, der die Gesetze für die Landwirtschaftsreform in Hannover schuf, wiederholte aber nicht die Fehler, die in  Preußen 20 Jahre vorher gemacht wurden. Dort konnte ein großer Teil der Ablösegelder 1/3  - ½ , in Land bezahlt werden, die Güter der Grundbesitzer wuchsen, die Bauern verarmten und das Land entvölkerte sich. In Hannover kann nur 1/6 der Ablösungssumme des Zehnten in Land abgegolten werden, alles andere wird langfristig durch Kredite finanziert. Aber nicht alle verkraften die Kosten und müssen aufgeben und verkaufen.

Dann erfolgt die Gemeinheitsteilung, d.h. die von der Allgemeinheit genossenschaftlich genutzten Flächen werden unter die bisherigen Nutznießer aufgeteilt. Dann wird ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt, Zusammenlegung der verstreut liegenden Ländereien zu größeren Stücken. Das war dringend notwendig.
Zum Beispiel ergab eine Aufnahme der Flurstücke des Meierhofes Nr. 1 Windel/später Kroos aus dem Jahr 1778: 123,75 Morgen in 84 Stücken!  (4)

Außerdem muß ein neues Wege- und Grabennetz angelegt werden.
Im Zuge des großen Flurbereinigungsverfahrens wird auch der neue Friedhof am Rande des Dorfes eingerichtet. Jeder Landbesitzer erhält einige Quadratmeter Grund und Boden für ein ewiges Erbbegräbnis auf dem Friedhof und dafür entsprechend weniger Ackerland.

„Im Holze“, das ist das Gebiet zwischen der Eisenbahnlinie nach Göttingen und der Leine, das im 19. Jahrhundert noch teilweise bewaldet war, wird  die Flurbereinigung erst nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommen.

Zwischen 1980 und1990 mußte erneut ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt werden, als die neue ICE -Eisenbahnstrecke angelegt wurde, die die Rössinger Feldmark durchschnitt und neue Straßen- und Brückenbauten erforderte.

Quellen
(1).Franz Schwerdtfeger: Giesen und seine Beelter Männer
     1991 Verlag Lax Hildesheim , S. 60/61

(2).Archiv Rittergut II

(3).NHSA Hann 74 Cal Nr. 1054, 1056

(4).NHSA Hann 74 Cal Nr. 474

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