Synagogen- und Schulwesen
1687
wurde den Juden in den Welfischen Fürstentümern Calenberg,
Göttingen und Grubenhagen die Wahl eines eigenen geistlichen
Oberhauptes, eines Landesrabbiners und damit endlich ihre freie
Religionsausübung gestattet. Die Synagogen, soweit vorhanden,
standen bisher schmucklos und in versteckten Winkeln. Die jüdische
Religionsausübung sollte unbemerkt von der Öffentlichkeit vor sich
gehen.
Der
Landesrabbiner hatte richterliche Funktionen und war für
Streitigkeiten der Juden untereinander verantwortlich. Außerdem
unterstand ihm das jüdische Schulwesen, wobei es sich fast
ausschließlich um Talmudschulen handelte. Der Talmud
ist die Sammlung der Gesetze der religiösen Überlieferungen des
nachbiblischen Judentums. Die Kinder lernten hauptsächlich
Hebräisch, die jüdischen Gesetze und Gebetsriten. Weitere
Lerninhalte waren vor allem für Mädchen kaum vorgegeben.
Von
1802 bis ca. 1830
war der
Posten des Landesrabbiners nicht besetzt.
1816
erfolgte von Seiten des Amtes Calenberg eine Anfrage an die Gemeinde
Rös- sing, ob eine Synagoge oder eine jüdische Schule am Ort sei.
Die Antwort war „Nein".
In
demselben Jahr
wurde
in einer Liste der zum Haushalt des Nathan Schay-Neuberg gehörenden
Personen der 39jährige
Daniel
Rufen
als
Schullehrer angeführt. Solche jüdischen Hauslehrer waren damals vor
allem Religionslehrer. Vom 3. Lebensjahr an wurden die Kinder im
jüdischen Glauben und seinem Ritualkodex unterrichtet. Diese Lehrer
waren auch besonders im Schächten ausgebildet, damit die jüdischen
Speisegesetze eingehalten werden konnten. Sie fungierten als Sänger
und Vorbeter bei den Gebetsstunden, bei denen die geschriebene
Thorarolle der 5 Bücher Moses, der Gebetschal, der den Kopf bedeckte
und der Gebetsriemen, ein Lederriemen, der in einer besonderen Art
und Weise um den Arm gewickelt wurde, eine wichtige Rolle spielten.
Wie
im einzelnen hier auf dem Lande die jüdischen Gottesdienste
abgehalten wurden, ist nicht überliefert. Zu einem
vorschriftsmäßigen jüdischen Gottesdienst gehörten nämlich
mindestens 10 männliche Juden über 14 Jahre.
1824
waren
aber lt. Statistik insgesamt nur 20 Juden in Rössing vorhanden,
wovon mehr als die Hälfte Frauen und Kinder waren. Wahrscheinlich
mußte hier das ganze Ritual in einer vereinfachten Form stattfinden.
1842
wurden die Juden aufgefordert, Synagogengemeinden zu bilden.
M.
Zuckermann gibt in seinem Buch: „Kollektanea zur Geschichte der
Juden im Hannoverland" (Hannover 1912) an, daß es 1842 in
Rössing eine Synagoge gab.
Dies war aber mit Sicherheit kein eigenständiger
Kirchenbau, sondern der jüdische Gottesdienst wurde in einem
Wohnraum der Familie Neuberg abgehalten.
1860/61
wurde
das Wohnhaus von Simon Neuberg umgebaut, man sieht es aus der
Erhöhung der Versicherungssumme im Brandkataster. Es wurde mit einem
Anbau versehen und dieser Anbau wurde lt. mündlicher Überlieferung
als Synagoge genutzt, zumindest, so lange wie das Haus im Besitz der
Familie Neuberg war (bis ca. 1900).
Synagogenvorsteher waren
1843
Nathan Neuberg bis 1854
1855 Simon Neuberg bis 1873
1873 Israel Levi Blumenthal
Moritz Blumenthal
Karl Blumenthal bis 1942
Die
Synagogenvorsteher waren verpflichtet, Heirats-, Geburts- und
Sterbelisten zu führen. Leider enthalten sie sehr wenig Angaben, und
es sind auch nur noch sehr wenige erhalten.
Die
nächste Synagoge mit einem richtigen Synagogengebäude befand sich
bis 1942 in Eldagsen.
Jüdisches Schulwesen
1854
erfolgte
die Neuordnung eines eigenständigen jüdischen Elementarschulwesens
und der jüdischen Lehrerbildung, die beide dem Landrabbinat
unterstanden. Nach der Schulordnung von 1854 waren mit 17
Wochenstunden mehr als die Hälfte der Unterrichtsgegenstände auf
jüdische Religion und Kultur ausgerichtet, davon waren allein 4
Stunden hebräische Sprache und 3 Stunden für biblische und jüdische
Geschichte vorgesehen.
In
Rössing hat es jedenfalls keine jüdische Elementarschule gegeben,
dazu war der Ort viel zu klein. Vielleicht lag auch darin der Grund,
daß so viele Kinder der hiesigen jüdischen Familien in den Akten
nicht wieder auftauchten.
Bei
den Juden ist ein hervorstechendes Merkmal der Sippenzusammenhalt.
Ältere oder auch jüngere Verwandte fanden ohne weiteres
Unterschlupf in den Familien, und so ist auch möglich, daß die
Kinder in größeren Orten bei Verwandten wohnten und dort die
jüdische Schule besuchten.
Die
Eltern waren verpflichtet, ihre Kinder in die christlichen Schulen zu
schicken, wenn keine jüdischen Schulen am Ort waren. Vom
Religionsunterricht waren sie allerdings befreit Für den jüdischen
Religionsunterricht sorgte dann der Rabbiner.
In
der Schulstatistik der Rössinger Grundschule fanden sich nur
Angaben.über den Zeitraum von 1898 bis 1911. Frühere Angaben über
jüdische Schulkinder waren nicht aufzufinden.
1898-1900 kein
jüdisches Kind
1901 2
jüdische Kinder
1904.24.Juli je
1 jüd. Kind in Kl. III und Kl. IV
1906.20.Juni 3
jüdische Kinder
1911.24.Mai 1
jüdisches Kind
Quellen:
NHSA, Sign: Hann 74 Cal Nr. 431 und 432
Niedersächsisches Jahrbuch 1989
Rössinger Schulchronik Band 2