Erwerb von Grund und Boden
Der
Besitz von Grund und Boden, Ackerland und Gärten, Wohnhäusern und
sonstigen Immobilien war den Juden in den welfischen Ländern seit eh
und je verboten. Aber da sie Geldverleih betrieben und dafür häufig
Sicherheiten in Form von Grundbesitz nahmen, waren die
diesbezüglichen landesherrlichen Anordnungen oft unterlaufen worden.
Um den bestehenden Gesetzen erneut Nachdruck zu
verleihen und einer weiteren Verbreitung dieses Brauchs Einhalt zu
gebieten, wurde 1718 auf Befehl des hannoverschen Kurfürsten Georg
Ludwig, der 1714 als Georg I den englischen Königsthron bestiegen
hatte, ein Dekret mit folgendem Inhalt veröffentlicht:
"Es
wird angeordnet, daß von nun an kein Jude in unseren Landen, den
Fürstentümern Lüneburg, Calenberg, Göttingen und Grubenhagen
u.s.w., die Stadt Harburg ausgenommen, weder in den Städten noch auf
dem Land ein Wohnhaus oder andere Immobilien als Eigentum erwerben
soll.
Nachdem
die Juden in der vergangenen Zeit durch Kauf viele Häuser und
Immobilien an sich gebracht, wurde die Zahl der Juden vermehrt, die
bürgerliche Nahrung dagegen vermindert und die Häuser im Preis
unnötig gesteigert. Außerdem werden die Bürger durch
Einquartierung von Soldaten über Gebühr belastet, da die
Juden-Häuser wegen der Verfassung bisher nie mit Einquartierung
belegt worden sind. Damit diese Anordnung nicht unterlaufen wird,
wird der Abschluß solcher Contrakte verboten, die am Ende eine
rechtmäßige Güterübertragung nach sich ziehen. Wo eine
Veräußerung verboten ist, ist auch eine Verpfändung verboten. Im
ersteren Fall fallen die Immobilien der Königlichen Kammer anheim,
im zweiten Fall, also bei Verpfändung, soll der Schuldner nicht zur
Zahlung verpflichtet sein und der Contrakt null und nichtig.
Damit jedoch den Untertanen nicht jede
Gelegenheit genommen wird, im Fall der Not auf ihre Immobilie Geld
herzuleihen, so wird gestattet, daß ein Jude 6 Jahre lang Geld
darauf leiht, dies darf aber nur vor dem Magistrate geschehen. Nach 6
Jahren erlischt der Vertrag. Sollte nach diesen 6 Jahren der
Schuldner zahlungsunfähig sein, und eine Verlängerung der Hypothek
wünschen, so ist dies beim Rat anzumelden, der eine diesbezügliche
Anordnung trifft. Damit sich aber kein Jude mit Unwissenheit
entschuldigt, wird diese Anordnung öffentlich angeschlagen und jedem
Juden mit dem Schutzbrief zusammen ausgehändigt."
5.
Januar 1718
Ad
Mandatum Regis
F.W.Fr.
von Goertz
Quelle: NHSA Sign: Hann 74, Cal Nr. 43O
Am
18.
August 1731
wurde von der hannoverschen Regierung eine weitere Verordnung
erlassen, die folgendes zum Inhalt hatte:
"Wir
vernehmen mißfällig, daß unsere unterm 5. Januar 1718 erlassene
Verordnung, kraft welcher wir verboten, daß die in unseren Landen
vergeleiteten Juden einige unbewegliche Güter an sich bringen oder
darauf anders als die vorgeschriebene Art Gelder herleihen, von
vielen Magistratspersonen dahin gedeutet wird, daß den Juden erlaubt
sei, bei Konkursen oder Zwangsversteigerungen Immobilien durch das
höchste Gebot zu erstehen, oder auf Ländereien Geld zu leihen und
in Besitz zu nehmen, den Pflug darauf zu schicken, oder Gärten und
Wiesen selbst zu bestellen oder das Nutzungspfand an Liegenschaften
zu genießen. Dies läuft unserer Absicht völlig zuwider. So
bekräftigen wir unsere Willensmeinung dahingehend, daß es den Juden
auf keine Art und Weise erlaubt sein soll, Immobilien an sich zu
bringen. Auch bei Zwangsversteigerungen ist es nicht gestattet, daß
sie selbst oder durch Bevollmächtigte vertreten, die Pfandnutzung an
Ländereien, Gärten oder Wiesen
erwerben."
Es folgt der Passus wie vorhergehend.
"Damit kein Jude sich mit
Unwissenheit entschuldigen kann, wird dies sofort öffentlich bekannt
gemacht und einem jeden Juden ein Exemplar zugestellt."
18. Aug. 1731
Ad
Mandatum Regis
L.
U. v. Hardenberg
Quelle: NHSA, Sign: Hann 74 Cal Nr. 43O
Aber
schon längst hatte die handelsübliche Praxis die fürstlichen
Anordnungen überholt. Es war den Juden nicht mehr länger zu
verbieten, für ihre Darlehen auch offiziell Sicherheiten zu nehmen
und auf Immobilien Hypotheken eintragen zu lassen. Daher folgte dem
Dekret vom 18. Aug. 1731 einige Monate später, am
17. Dez.
desselben Jahres ein neues. Im Namen des Königs Georg verfügte die
hannoversche Regierung nun folgendes:
"Es sind bei der
in unsern Landen angesessenen Judenschaft Zweifel über die unterm
18. August 1731 ergangene Verordnung entstanden: Kann einer der
vergeleiteten Schutzjuden, wenn er Gelder ausleiht, gültige Hypothek
auf Immobilien eintragen lassen? Hat eine solche Hypothek nach dem
Edikt Gültigkeit und wird sie nach vorfallenden Konkursen anerkannt?
Unsere
Willensmeinung wird hiermit kund getan: Weil den in unseren Landen
vergeleiteten und mit richtigen Schutzbriefen versehenen Juden die
Handelschaft nach Maßgabe der ergangenen Edikte gestattet ist, ist
ihnen auch nicht verwehrt, bei allen ihnen erlaubten Verträgen die
erlaubten Sicherheiten zu nehmen. Dazu gehört allerdings auch die
Belastung von Immobilien und "liegenden Grund=Stücken" mit
Hypotheken. Im übrigen behält das Edikt seine Gültigkeit. Wir
erklären noch einmal ausdrücklich, daß alle vergeleiteten und mit
gehörigen Schutzbriefen versehenen Juden bei allen und jeden ihnen
erlaubten Handlungen, wo sie es zu ihrer Sicherheit nötig finden,
sich von den Schuldnern auf Immobilien Hypotheken verschreiben lassen
dürfen und bei entstehenden Konkursen und anderen ´Prozessen in
Judicando´ den Rechten gemäß darauf zu reflektieren. Es soll nach
rechtlicher Ordnung bei all unseren Gerichten danach verfahren werden
ohne Ansehung der Tatsache, daß bei dieser Art Schulden Juden in den
Besitz von Immobilien kommen.
17.
Dezember 1731
Ad
Mandatum Regis
L.
U. v. Hardenberg
Quelle:
NHSA Sign: Hann 74 Cal Nr. 43O
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