Sunday, June 24, 2012

200 Jahre jüdische Geschichte in Rössing (19)


Die Schicksale der vier anderen Brüder

Robert Blumenthal

Robert Blumenthal, der vierte der fünf Brüder, hatte einen kaufmännischen Beruf und lebte einige Zeit in Wiesbaden. Mit seiner Frau Edith hat er zwei Kinder. Ab Juli 1934 wohnt er wieder in Rössing, am 8.6.1936 zieht die Familie nach Hannover, wohnt in der   Nordmannstrasse 11. Später lebt die Familie in der Josephstraße 2., in einem Haus, in dem  jüdischen Familien zusammengezogen werden. Am 15. Dezember 1941 wird die Familie mit dem ersten Transport, der in einem Vernichtungslager endete, nach Riga verbracht und kommt dort um.
Quelle: Erinnerungsblatt der Mahn- und Gedenkstätte Ahlem

Willi Blumenthal

Roberts ein Jahr jüngerer Bruder Willi hatte 1933   in eine Schlachterei in Horn (Lippe) eingeheiratet. Das Ehepaar hat zwei Kinder. Die Kinder und die Mutter sind vom Terrorregime des NS  ermordet worden. Willi Blumenthal hatte ein besonderes Schicksal.

Er war als KZ-Häftling in Frankreich zum Bau von Befestigungsanlagen eingesetzt worden und sollte, als er nicht mehr arbeitsfähig war, zusammen mit seinen Leidensgenossen in Güterwaggons nach dem Osten zur Vernichtung abtransportiert werden. Irgendwie schaffte er es, sich eine Zange zu organisieren. Auf dem Weg durch Belgien gelang es ihm, damit den Waggon aufzubrechen und aus dem fahrenden Zug zu springen. Belgische Bauern fanden und versorgten ihn, bis die Amerikaner im Frühjahr 1945 einrückten und er befreit wurde.
Als er sich nach Kriegsende mit seinen Brüdern in den USA in Verbindung setzt, ermöglichen sie ihm die Ausreise nach Amerika. Er arbeitet dort wieder als Metzger und heiratet noch einmal. Willi Blumenthal besucht noch einmal seine Heimat in Rössing, 1983  stirbt er in New York.

Hermann Blumenthal

Er war der zweitälteste der fünf Brüder und nicht verheiratet. Er wohnt zeitlebens bei der Familie seines ältesten Bruders Gustav, mit dem ihn eine enge geschäftliche und menschliche Beziehung verbindet. In Bochum sind sie Inhaber oder Teilhaber eines größeren Textilgeschäftes oder -kaufhauses und sehr wohlhabend. Nachdem die Nazis sie enteignet und ihr Geschäft „arisiert“ haben,  eröffnen sie ein kleines Etagengeschäft für Stoffe und Kurzwaren. Als ihnen am 9. November 1938 auch diese Existenz zerstört wird und sie ins Konzentrationslager nach Sachsenhausen gebracht werden, schmieden sie, als sie nach sechs Wochen entlassen werden, notgedrungen Auswanderungspläne.

Hermann erlernt in weiser Voraussicht das Schweißen, um sich eventuell mit einem handwerklichen Beruf durchzuschlagen - was sich als sehr nützlich erwies, als ihm im Frühjahr 1940 die Ausreise in die USA nach Überwindung großer Schwierigkeiten gelingt. Dort findet er wirklich Arbeit als Schweißer und arbeitet an zwei Stellen, um die Bürgschaften für seinen Bruder und dessen Familie zusammen zu bringen, damit auch sie in die USA ausreisen können.

Gustav Blumenthal

Gustav Blumenthal lebte mit seiner Familie in sehr guten Verhältnissen, bevor der Terror gegen die Juden das glückliche Familienleben zerstört. Sein Sohn Werner muß als Fünfzehnjähriger Schüler, ebenso wie seine drei Jahre jüngere Schwester Lore, das Gymnasium verlassen. Er besucht dann eine „ORT-Schule“ bei Berlin, um eine Schlosserlehre zu machen. Mit Hilfe eines internationalen Schutzprogramms für gefährdete Jugendliche gelangt er noch  vor Beginn des Krieges nach England. Seine Eltern sieht er erst 1946 wieder. Seine Schwester Lore kommt, ebenfalls mit einem Kinderschutzprogramm,  vorübergehend nach Holland.
 
Als sich Gustav Blumenthal, dem Vater, die Chance bietet, eine Stellung in einem Reisebüro bei Hapag-Lloyd zu bekommen, schafft er es mit Glück und einem nicht legalen Trick , eine Schiffs-Passage für sich und die Familie zu erhalten. Im Sommer 1941 reist die Familie in die USA aus und schwört, niemals im Leben wieder einen Fuß auf deutschen Boden zu setzen – sie haben diesen Schwur gehalten und können es absolut nicht verstehen, als ihr Sohn Werner wieder nach  Deutschland zurück will. Sie leben bis zu ihrem Tode in New York. Gustav stirbt 1966 mit 73 Jahren,  Hermann 1978 mit 81 Jahren und Gustavs Frau Erna 1982 mit 87 Jahren.

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