Familienschicksale:
Jugendtransporte ins Ausland
.
Ein besonderes Kapitel der rassistischen Judenverfolgung im
NS waren die Transporte jüdischer Kinder ins Ausland. Es gab ausländische
Organisationen, die Hilfsprogramme für gefährdete Jugendliche in Deutschland
organisierten. Wenn den Eltern die Ausreise noch nicht gelang, sahen sie darin
eine Chance, zumindest ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Das geschah mit
Billigung der NS-Behörden.
Auch die beiden Kinder von Gustav Blumenthal in Bochum,
Werner und Lore, kamen in den Genuß solcher Maßnahmen, die Kinder ins
europäische Ausland zu evakuieren, um sie dem Zugriff der Nazis zu entziehen.
Nachdem der Besuch der öffentlichen Schulen für jüdische
Kinder verboten war, wurde Werner Blumenthal von seinem Vater nach Berlin
gebracht, wo er in einer jüdischen Bildungsanstalt einen praktischen Beruf
erlernen sollte. Nach der sog. Kristallnacht am 9. November 1938 wurde er von
Berlin aus nach England geschickt. Mit Beginn des Krieges wurde er dort aber
als feindlicher Ausländer interniert und nach Kanada verbracht, wo er fünf
Jahre hinter Stacheldraht saß, bevor er wieder nach Deutschland zurückkehren
konnte.
Seine Schwester Lore kam in ein holländisches Kloster, bevor
die Deutschen in die Niederlande einfielen, während sich ihre Eltern krampfhaft
um eine Ausreisemöglichkeit bemühten. Sie litt furchtbar unter Heimweh und
fühlte sich todunglücklich. Als die Eltern glaubten, eine Ausreisechance nach
Kuba zu haben, durfte sie zurückkommen. Aber diese Chance zerschlug sich wie so
viele, und erst zum 27. Mai 1941 erhielten sie ihr Visum zur Einreise in die
USA, die sie nach dramatischen Zwischenfällen am 25. August 1941 erreichten.
Die Kinder von Karl Blumenthal, Hanna und Hans-Jürgen, hatten nicht so viel Glück. Sie hielten sich
wiederholt längere Zeit in Hannover auf. Einmal war Hanna „Auf dem Emmerberg
31“ gemeldet und seit dem 7.4.1939 in Ahlem in der Israelitischen Gartenbauschule, wo sie noch Schulunterricht erhielt,
zeitweilig zusammen mit ihrem Bruder Hans-Jürgen. Das Mädchenheim der Schule
war im März 1941 von der Feuerschutzpolizei belegt worden, dann richtete die
Stadt Hannover dort ein Ausweichkrankenhaus ein. Seit Ende 1941 dienten das
Direktorenhaus und andere Gebäude der Schule als Sammellager für die Juden der
Regierungsbezirke Hannover und Hildesheim, die in osteuropäische
Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert werden sollten. Am 23. Juli
1942 wurde sie ganz geschlossen und von der Gestapo übernommen.
Der Landrat forderte am 23. Dezember 1941 und am 30. Januar
1942 noch einmal genaue Angaben über die Familie Blumenthal und den Aufenthalt
der Kinder an, die zu diesem Zeitpunkt wieder in Rössing waren. Sie wurden
einige Wochen später zusammen mit ihren Eltern nach Polen deportiert.
Im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß nach dem 2. Weltkrieg
wurde festgestellt, daß am 31.Juli.1941 der Befehl zur sog. „Endlösung"
der Judenfrage durch Vernichtung erteilt worden sei. Dieses Datum wird aber
heute in Frage gestellt. Die NS- Gesetzgebung war schon viel früher auf den Holocaust perspektiviert.
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