Monday, January 30, 2012

Die Herren von Rössing (2)

Machtausdehnung der Welfen

1519 bricht die Hildesheimer Stiftsfehde aus, zunächst ein Konflikt zwischen Fürstbischof Johann IV. und dem Stiftsadel. Etwa 20 adlige Ritter um die von Saldern, zu denen auch die Herren von Rössing gehören, verbünden sich und verweigern die Rückgabe der vom Bischof an Adel und Ritterschaft verpfändeten Güter und Ländereien, die dieser wegen seiner schlechten finanziellen Lage einlösen will. Die anfangs lokale Auseinandersetzung entwickelt sich zu einem offenen Krieg der niedersächsischen Territorialfürsten. In der großen Schlacht bei Soltau am 28. Juli1519 bleibt das Hochstift militärischer Sieger.
Aber der neugewählte Kaiser Karl V. in Wien fällt eine völlig andere Entscheidung.
Über Bischof Johann wird 1522 die Reichsacht verhängt und 1523, beim Friedensschluß im Quedlinburger Rezeß, wird das Fürstbistum Hildesheim bis auf die drei Ämter Peine, Steuerwald, Marienburg und die Domprobstei völllig zerschlagen und auf die angrenzenden welfischen Fürstentümer aufgeteilt.

Rössing wird dem Fürstentum Calenberg zugeordnet. Es wird auch bei der Restitution des Stiftes 1643 nicht wieder zurückgegeben.
Herzog Erich der Ältere läßt  nicht nach, seinen persönlichen Machtbereich, sein „Hausgut“ durch Grunderwerb am Calenberg zu erweitern. 1527 und 1532 kauft er den Herren von Rössing große Teile ihres erblichen Eigenbesitzes ab. Er übt ziemlichen Druck auf seine Nachbarn aus, obwohl er die erforderlichen  Summen nicht aufbringen kann. Immer wieder werden Zinszahlungen angemahnt, bis ein Teil der gekauften und nicht bezahlten Ländereien wieder zurückgegeben werden muß.(1)



Die Herzogliche Vogtei und das Patrimonialgericht der Herren von Rössing

Herzog Erich d. Ältere erwirbt 1537 die Pfandschaft über das bisher vom Kloster Helmarshausen an das Godehardikloster verpfändete Meierding in Rössing mit Vogtei und Gericht. So wird ihm die Hälfte der Rössinger Bauern zehnt- und dienstpflichtig und untersteht seiner Gerichtsbarkeit.

Schon als das Godehardikloster das Meierding im Pfandbesitz hatte, gab es ständig Streit mit den Herren von Rössing um die Gerichtsbarkeit, die diese sich im Dorf nicht nehmen lassen wollten. Das ging so weit, daß Siegfried und Friedrich von Rössing im Jahr 1516 wegen Nichterscheinen zu Gerichtsterminen mit dem Godehardikloster vom Gericht der Benediktinerklöster in Erfurt exkommuniziert wurden.

Das Amt Calenberg setzt für seinen Gerichtsbezirk in Rössing einen Untervogt, später einen Amtmann ein. Dieser ist auch Steuereinnehmer und versieht Verwaltungsaufgaben und Registratur.


Konflikte vorprogrammiert.

Die Herren von Rössing verbleibt die andere Hälfte des Dorfgerichts als „geschlossenes Adeliges Untergericht“ mit patrimonialem Charakter. Aber daß adelige Gerichtssassen und herzogliche Amtsuntertanen neben- und durcheinander wohnen, gibt es einzig in Rössing und da sind Konflikte natürlich vorprogrammiert. Prozesse sind an der Tagesordnung und die Akten darüber füllen Bände. (2)
Denn die Gerichtshoheit ist nicht nur ein wichtiges Herrschaftsindiz der Territorialstaaten, sondern sie hat auch handfeste materielle Hintergründe, weil die Strafgelder dem Gerichtsherrn zufallen.
Die Dorfsassen des geschlossenen Untergerichts werden im Gegensatz zu denen eines ungeschlossenen in keinen Amtslagerbüchern, Registern und Katastern des Amtes geführt, sondern nur beim Adeligen Gut. Die Herren von Rössing empfangen ihre Anweisungen wie zum Beispiel über Kriegssteuern oder sonstige Anordnungen direkt von der Regierungskanzlei, ohne die Zwischenschaltung subalterner Beamter.


Zwei Gerichtshoheiten in Rössing

Differenzen durch die doppelte Gerichtsbarkeit im Dorf bleiben nicht aus. So beschwert sich Ludolph von Rössing 1654 in einem Schreiben an den Amtmann von Calenberg, weil zwei seiner Leute wegen etlicher Feldbrüche auf dem Calenberger Landgericht erscheinen sollen. Da von jeher: die gesamten Rössingschen Herrenleute niemals zum Calenbergischen Landgericht gezogen, sondern alles, was an dieser Seite der Zollbrücke (an einem alten Leinearm bei Calenberg) verwirket, auf das Rössingsche Gericht gehöre, und weil den Herren von Rössing die Hälfte des Strafgeldes zustehe, wahre er seine Rechte, um aller Neuerung vorzubauen und in seinem Rechte unbetrübt zu bleiben.

Die Jurisdiktion auf den Straßen von Rössing ist ein weiterer Streitpunkt. Höchstens auf des Herzogs Hildesheimer Heerstraße erkennen die Herren von Rössing sie an. Die Gäßchen in Rössing verdienten den Namen Straße nicht, sie führten nur zu einigen Bauernhäusern und so jagt man sich dort gegenseitig die Verbrecher ab.

Wie dem von Rössingschen Schäfer Steinwehe einmal ein Hammel gestohlen wird, ertappt man den Täter und verfolgt ihn. Die Gutsleute greifen ihn samt dem corpus delicti im Dorf und setzen ihn im Haus des Schäfers auf gutseigenem Hofe fest. Bevor der Täter, wie es der Rechtsbrauch ist, für drei Tage auf dem adeligen Hof ins Gefängnis gesetzt werden kann, holt ihn der Vogt mit Gewalt auf den Calenberg. Eigentlich müßte er nach drei Tagen Gutskarzer und Meldung beim Amt auf Verlangen desselben ordnungsgemäß zwischen den beiden Brücken (der Rössingbachbrücke und der Schloßgrabenbrücke) übergeben werden. Wieder ist ein Protestschreiben fällig.

Oft trifft es auch die kleinen Leute. Wie der Gutsuntertan Wintel 1768 heiraten will, wird beim Gut der Manntaler fällig. Auch der Ehedispens wird dort kostenlos ausgestelt. Trotzdem verlangt der Amtsvogt Rothard noch 2 Taler und 31 Mariengroschen, weil sich die Braut bei der Verlobung im Hause eines Amtsuntertanen aufgehaltenhat. Der Ehedispens sei ganz mit Fett oder Tran vollgeschmiert und er erkenne ihn nicht an. Von Rössing beschwert sich bei der Königlichen Justizkanzlei, daß die Landesgesetze ausdrücklich verordnet haben, die Armut nicht über Billigkeit zu beschweren und daß für eine Ehestiftung nicht mehr als 1 Reichstaler genommen werden soll. Außerdem versuche der Vogt Rothard „überall Geld zu erhaschen.“
Aber er wird abgewiesen.
Diese Zweiteilung der Dorfschaft dauert bis zum Jahr 1821, als die hannoversche Regierung die Auflösung des Adeligen Gerichts verfügt und beide Gemeindeteile 1829 unter calenbergischer Verwaltung vereinigt werden. Die Herren von Rössing werden wiederholt aufgefordert, die Akten und Registratur des Adeligen Gutes, bzw. seiner Untertanen an das Amt Calenberg abzuliefern; diese wurden dort und nicht beim Amt geführt. Aber allem Anschein nach ist das nicht geschehen, denn wiederholt werden die Deposita angefordert. Die Aktenlage über die gutspflichtigen Bauern ist, wohl auch deshalb, sehr schlecht.


Quellen:
(1) NHSA Sign. Cal Or Des 24 neu Nr 45 ff.
(2) NHSA Hann. 74 Cal Nr 293 - 298





























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